Bei günstigem Wind hörte ich Sonntags manchmal die Glocken der
umliegenden Ortschaften als schwache, sanfte, sozusagen naturhafte
Melodie, würdig, die Wildnis zu durchdringen. In ausreichender,
Entfernung wächst dieser Ton über den Wäldern zu einem
gewissen schwingenden Summen, als wären die Tannennadeln am
Horizont die Saiten einer Harfe, über die er glitte.
Jeder Laut, den man aus größtmöglicher Entfernung
hört, ruft ein und dieselbe Wirkung hervor, eine Schwingung der
Weltharfe. So macht ja auch die dazwischenliegende Atmosphäre einen
fernen Gebirgskamm unseren Augen anziehend durch die Azurfarbe, die sie
darüber breitet. Zu mir drang dann eine Melodie, die die Luft
gesungen hatte, die mit allen Blättern und Nadeln des Waldes
Zwiesprache gehalten hatte, jener Teil des Klanges, den die Elemente
aufgegriffen, moduliert und als Echo von Tal zu Tal weitergegeben
hatten.
Das Echo ist bis zu einem Grade ein naturhafter Laut, und darin liegt
sein Reiz und sein Zauber. Es ist nicht nur ein Widerklang dessen, was
am Glockenklang der Wiederholung wert ist, sondern es ist zugleich auch
die Stimme des Waldes. Es sind dieselben abgegriffenen Worte und
Töne, aber eine Waldnymphe singt sie.
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Henry David Thoreau, Walden oder Leben in den Wäldern
aus dem Kapitel Nummer IV, Laute
Henry David Thoreau lebte von 1845 bis 1847 in einer Holzhütte am
Waldensee
in Massachusetts, USA, die er selbst gebaut hatte. Aus seinen
Tagebüchern und Notizen aus dieser Zeit entstand sein Buch. Es wurde
1854 erstmals publiziert. Die englische Ausgabe ist als Ebook beim
Project Gutenberg zu finden.
Weitere Informationen über Walden .
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KLANGBEUTEL ist ein Internetprojekt von Rolf Langebartels. Eine Sammlung
von Dingen zur Klangkunst und zur Audio Art. Beiträge sind
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