Seine Stimme war für Augenblicke unhörbar, weil tief unten
drei Motorräder durch die Straßenschlucht jagten und einen
explosionsartigen Krach verursachten. "Sprechen wir von dieser
Gefühllosigkeit dem Lärm gegenüber", fuhr er fort,
"das ist für mich auch Kälte. Das Krachmachen ist eine
Betätigung des menschlichen Egoismus und nicht weiter
auffällig aber das Nicht-unter-Krach-Leiden ist ein Phänomen,
das mich immer neu erstaunen läßt. Noch mehr: den Krach
gerade zu suchen! Die Angst vor der Stille!
Und wenn Sie mir erlauben, den Krach als eine laute Tonlosigkeit zu
definieren, dann zieht sich diese Unempfindlichkeit bis in Regionen
hinein, die das genaue Gegenteil von Geräuschchaos bilden sollten
in die Musik! Toscanini ist für mich der Inbegriff des
italienischen Dirigenten mit der Dynamik der Motorradfahrer, die mich
eben zum Verstummen gebracht haben, hetzt er, scheppernd und krachend,
jedes zarte Detail erwürgend, durch eine Mozartsymphonie. Und etwas
anderes wird hier auch gar nicht wahrgenommen!" sagte er mit
wachsender Bitterkeit.
Aus: Martin Mosebach, Die schöne Gewohnheit zu leben. Eine
italienische Reise, Berliner Taschenbuch Verlag, Juni 2007
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Gefühllosigkeit gegenüber Lärm
Weitere Informationen über Martin Mosebach .
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