Rolf Langebartels
Internetprojekt Soundbag

 
Klangbeutel Nr. 201
update vom 03. Dezember 2009
Seine Stimme war für Augenblicke unhörbar, weil tief unten drei Motorräder durch die Straßenschlucht jagten und einen explosionsartigen Krach verursachten. "Sprechen wir von dieser Gefühllosigkeit dem Lärm gegenüber", fuhr er fort, "das ist für mich auch Kälte. Das Krachmachen ist eine Betätigung des menschlichen Egoismus und nicht weiter auffällig aber das Nicht-unter-Krach-Leiden ist ein Phänomen, das mich immer neu erstaunen läßt. Noch mehr: den Krach gerade zu suchen! Die Angst vor der Stille!
Und wenn Sie mir erlauben, den Krach als eine laute Tonlosigkeit zu definieren, dann zieht sich diese Unempfindlichkeit bis in Regionen hinein, die das genaue Gegenteil von Geräuschchaos bilden sollten in die Musik! Toscanini ist für mich der Inbegriff des italienischen Dirigenten mit der Dynamik der Motorradfahrer, die mich eben zum Verstummen gebracht haben, hetzt er, scheppernd und krachend, jedes zarte Detail erwürgend, durch eine Mozartsymphonie. Und etwas anderes wird hier auch gar nicht wahrgenommen!" sagte er mit wachsender Bitterkeit.
Aus: Martin Mosebach, Die schöne Gewohnheit zu leben. Eine italienische Reise, Berliner Taschenbuch Verlag, Juni 2007
Gefühllosigkeit gegenüber Lärm
Weitere Informationen über Martin Mosebach .

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